Apokalyptischer "Jedermann" in Salzburg
Michael Sturmingers Neuinszenierung des Festspiel-Klassikers „Jedermann" präsentiert sich als düstere Vision einer Welt am Abgrund. In einer von Klimawandel und sozialer Ungleichheit gezeichneten Endzeit-Szenerie entfaltet sich Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes" mit beeindruckender Wucht.
Michael Maertens verkörpert den Titelhelden als zynischen Lebemann, der die Zeichen der Zeit ignoriert. Selbstgefällig und herablassend agiert er in seinem Palast, während draußen eine verödete Landschaft von Armut und Verfall zeugt. Maertens' Jedermann changiert gekonnt zwischen Arroganz und wachsender Verzweiflung angesichts des nahenden Todes.
Valerie Pachner überzeugt in der Doppelrolle als verführerische Buhlschaft und unerbittlicher Tod. Als Buhlschaft bleibt sie distanziert, als Tod umgarnt sie Jedermann mit katzenhafter Anmut. Nicole Heesters gibt Jedermanns Mutter mit mahnender Autorität, während Helmfried von Lüttichau als guter Geselle Jedermanns Verzweiflung teilt.
Starke Frauenrollen dominieren
Bemerkenswert ist die Besetzung zentraler Rollen mit Frauen: Sarah Viktoria Frick brilliert als Gott und Teufel, Anja Plaschg verleiht dem Glauben als schwangere Erscheinung eine besondere Note. Birte Schnöink verkörpert eindringlich die Werke.
Mirco Kreibich beeindruckt in der Doppelrolle als Schuldknecht und Mammon. Seine akrobatische Ballettnummer als Mammon zählt zu den Höhepunkten des Abends. Bruno Cathomas und Fridolin Sandmeyer geben als dicker und dünner Vetter die Hedonisten der Gesellschaft.
Inszenierung mit apokalyptischer Wucht
Sturminger inszeniert das Stück als Albtraum einer dem Untergang geweihten Welt. Die Bühne von Renate Martin und Andreas Donhauser zeigt eine dystopische Landschaft, in der Jedermanns Palast wie eine letzte Bastion des Wohlstands thront. 
Besonders eindrucksvoll ist der Moment, als Jedermann inmitten seiner Festgesellschaft zusammenbricht und fortan die allegorischen Figuren in einem transzendenten Zustand wahrnimmt. Die Grenze zwischen Leben und Tod verschwimmt in surrealen Bildern.
Wolfgang Mitterers Musik unterstreicht die apokalyptische Stimmung und verleiht den Auftritten der allegorischen Figuren zusätzliche Intensität. Die Lichtgestaltung von Urs Schönebaum verstärkt die düstere Atmosphäre.
Sturmingers Neuinterpretation des „Jedermann" ist eine kraftvolle Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen unserer Zeit. Sie zeigt einen Protagonisten, der bis zuletzt die Augen vor dem Niedergang der Welt um ihn herum verschließt. Erst im Angesicht des Todes beginnt er, sein Leben zu hinterfragen.
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17. Juli 2024, Salzburg / Österreich